Physiologische und psychologische Grundlagen der FE

Aktivierung der Selbstwahrnehmung

Durch Bewegen und fokussierte Aufmerksamkeit wird mit Funktioneller Entspannung die als „Spürfähigkeit“ bezeichnete Selbstwahrnehmung angeregt. Sie beruht neurologisch auf einer gesteigerten Aktivität der Propriozeption. Neben den Sinnen für die Wahrnehmung der Umwelt vermittelt dieses Sinnessystem über Nervenendigungen in den Muskeln, Sehnen und Gelenken die Empfindung von Lage, Haltung und Bewegungen des Körpers im Raum. Die Verarbeitung der propriozeptiven Informationen im Gehirn läuft überwiegend unbewusst ab. Propriozeption ist nicht nur Voraussetzung für jede Form von Bewegung, sondern ist als Körpergefühl auch Grundlage des Selbstgefühls, d.h. des Bewusstseins der eigenen Individualität.

Beeinflussung psychovegetativer Abläufe

Über die sogenannten „Spielregeln“ der Funktionellen Entspannung werden unmittelbar vegetative Vorgänge beeinflusst. Der für Beruhigung zuständige parasympathische Anteil des autonomen vegetativen Nervensystems wird gestärkt, gleichzeitig wird durch Bewegen und vertieftes Einatmen der sympathikotone Gegenspieler aktiviert, wodurch es insgesamt zu einer vegetativen Ausbalancierung kommt. Vegetative Parameter wie Blutdruck, Darmtätigkeit, Speichelfluss und peripherer Bronchialwiderstand werden messbar und spürbar verändert. Dieser Effekt wird subjektiv als Beruhigung erlebt und ist für Affektregulation und zur Stressbewältigung gut anwendbar.

Zugang zu unbewussten Erinnerungen aus dem Körpergedächtnis

Aus den ersten Lebensjahren stammen frühe Körpererinnerungen, die der bewussten Erinnerung nicht zugänglich sind. Sie drücken sich körperlich in individuellen Haltungs- und Bewegungsmustern, in Körperempfindungen und -symptomen aus und sind im Körpergedächtnis gespeichert. Mit Funktioneller Entspannung können diese frühen Erinnerungen wiederbelebt und einer bewussten Bearbeitung zugänglich gemacht werden. Dies geschieht durch die Verknüpfung von körperlichem und psychischem Erleben und deren verbaler Bearbeitung. Die Übersetzung der unbewussten Körpersprache in sprachliche Methaphern und Bilder stellt psychisch einen Prozess der Symbolisierung und Bildung von Selbst- Repräsentanzen dar.

Körperliche Vertiefung von Gefühlen und Empathie

Mit Funktioneller Entspannung ist ein Zugang zu unbewussten Gefühlen möglich. Körperliche Empfindungen und Körpersignale wie Herzklopfen oder Schwindel können Gefühlen zugeordnet und bewusst anerkannt werden. Für psychosomatische Erkrankungen ist dieser Ansatz zentral. Das intuitive Körper-Wissen („Bauchgefühl“) ist aber auch im Alltag für Entscheidungen und zur Stress-Bewältigung wichtig. Funktionelle Entspannung fördert nicht nur die Gefühls-Wahrnehmung, sondern gleichzeitig auch die Affektregulation. Über die Differenzierung der eigenen Gefühle wird die Selbstempathie verbessert und damit auch die die Einfühlung in andere und die Abgrenzungsfähigkeit.

Differenzierung der körperlichen Gegenübertragung

Mit Selbsterfahrung in Funktioneller Entspannung können körperliche Resonanzphänomene sicherer und differenzierter genutzt werden. Es sind überwiegend unbewusst ablaufende Kommunikationswege zwischen Menschen, die in helfenden Berufen als körperliche Gegenübertragung eine besondere Rolle spielen. In der Funktionellen Entspannung ist das kontinuierliche, bewusste „Mitspüren“ selbstverständlicher Bestandteil der Einschätzung und Gestaltung von Beziehungen. Es erweitert das sinnliche Wahrnehmen und das kognitive Mitdenken durch einen zusätzlichen Sinneskanal. Es entwickelt sich eine Haltung von achtsamer Selbstfürsorglichkeit, die zu Selbstregulation und Gelassenheit in Beziehungen beiträgt.